Milch ja, Milchzucker nein
Menschen mit Laktoseintoleranz müssen aufpassen, wenn sie einen Kaffee mit Milch trinken, ein Eis essen oder Schokolade naschen wollen. Denn ihre Milchzuckerunverträglichkeit kann sich dann schnell bemerkbar machen, auch unterwegs: Bauchweh, Blähbauch, Koliken und sogar Durchfall können die unangenehmen und schmerzhaften Folgen sein.
Schnell ist es passiert: Aus Versehen hat man die Latte Macchiato oder die Heiße Schokolade ganz "normal" bestellt, da kommen auch schon die Bauchkrämpfe. Von Laktoseintoleranz Betroffene können leider keinen Milchzucker verdauen und müssen, wenn sie dennoch Laktose zu sich nehmen, mit unschönen Begleiterscheinungen rechnen.
Manchmal wird dieses Phänomen mit einer Nahrungsmittelallergie verwechselt. Doch das stimmt nicht: Der menschliche Körper reagiert hier nicht über das Immunsystem mit einer Abwehrreaktion, sondern es fehlt ihm lediglich das Enzym Laktase. Der Milchzucker selbst kann in unserem Körper nämlich gar nicht in der ursprünglichen Form über die Darmschleimhaut aufgenommen werden, sondern muss während der Verdauung in Glukose und Galaktose aufgespalten werden.
Schätzungen zufolge hat längst mehr als jeder zehnte Deutsche mit Laktoseintoleranz zu kämpfen, die sich auch im Lauf der Jahre erst bemerkbar machen kann und vom Arzt mit einem Provokationstest feststellbar ist. Nach einer "Weglassdiät" ohne Milchprodukte trinkt der Patient in der Arztpraxis kontrolliert eine Lösung mit einer größeren Menge Laktose. Der Milchzucker wandert dabei völlig ungespalten in den Dickdarm. Dort vergärt er und lässt Gase wie Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff entstehen. Sie können dann durch einen Atemtest nachgewiesen werden. Das belegt, dass eine Laktoseintoleranz mangels Laktaseproduktion vorliegt.
Die Unverträglichkeit kann angeboren sein ("primäre Laktoseintoleranz") oder kann erworben werden, wenn der Darm durch Krankheiten oder Operationen geschädigt ist ("sekundäre Laktoseintoleranz"), denn das für die Spaltung von Milchzucker notwendige Enzym wird normalerweise im Dünndarm in so genannten Schleimzellen hergestellt. Manchmal leiden Patienten mit angeborenem Leiden zugleich auch noch an angeborenen Fruchtzuckerunverträglichkeit (Fruktoseintoleranz).
In vielen Ländern wird Laktase gar nicht gut vertragen, im Süden schlechter als im Norden. In China und Südostasien ist fast jeder Einwohner laktoseintolerant, aber auch in Südeuropa sind die meisten Menschen längst betroffen. Schließlich ist Milch ursprünglich ein Produkt, das in der Natur nur die Mütter für ihre jeweiligen Nachkommen produzieren. Als ausgewachsenes Lebewesen kommt dann in der Regel nach einiger Zeit andere, feste Nahrung in Frage, und die Milch wird überflüssig. Dennoch vertragen auch viele Menschen Milch problemlos, was auch praktisch war, als man im Rahmen der Viehzucht auch immer viel Milch als Nahrungsmittel zur Verfügung hatte.
Um nun trotzdem nicht auf Milch, Joghurt und Käse verzichten zu müssen, wird Laktase gerne frei verkäuflich in Tablettenform angeboten, zum Kauen oder Schlucken direkt vor oder während einer Mahlzeit. Nach dem Essen oder Milchtrinken nützt sie nichts mehr. Die Höhe der Dosierung variiert je nach Produkt und Laktasegehalt. Patienten wissen bald, wie viel Laktase sie einnehmen müssen, um den Begleiterscheinungen des Milchzuckers zu umgehen. Als praktisch laktosefrei gelten milchhaltige Lebensmittel, die höchstens 0,1 Gramm Milchzucker pro 100 Gramm enthalten. Dazu zählen verschiedene Käsesorten wie Parmesan und viele Hartkäsesorten, da der Milchzucker während der langen Reifung immer mehr abgebaut wird. Aber auch auf Mozzarella, Feta oder Camembert können Käse-Fans zurückgreifen, ohne dass diese Sorten extra als laktosefrei gekennzeichnet werden müssten.
In zahlreichen Fachbüchern zum Thema finden sich viele Tabellen mit dem Laktosegehalt einzelner Nahrungsmittel. Einige Menschen berichten auch, dass sie warme Milch schlechter vertragen als kalte. Schon zwei Tabletten mit je 1000 FCC Laktase helfen in der Regel, damit Betroffene ein Glas Milch gut verdauen können. Diese Abkürzung bedeutet ausgeschrieben „Food Chemical Codex“: Diese Maßangebe für die Reinheit lebensmittelchemischer Substanzen wurde in den USA 1966 erstmals in einem Buch veröffentlicht. Meistens kommen Betroffene ansonsten mit etwa 5000 FCC pro Milchmahlzeit gut zurecht.
Neben Laktasetabletten im praktischen Klickspender, die oft nur noch etwa genauso groß (oder klein) sind wie Süßstofftabletten, helfen auch spezielle laktosefreie Milchprodukte und Süßigkeiten mit Schokoladenanteil. Bei "laktosefreier" Milch wurde die Laktase bereits vom Hersteller im Produkt eingesetzt. Weil darum die Spaltung in Glukose und Galaktose bereits vollzogen ist, schmeckt diese Milch aber ein wenig "süßlicher" als sonst. Sie gilt dann als laktosefrei und darf mit diesem Aufdruck verkauft werden, selbst wenn geringe Mengen an Milchzucker von weniger als 0,1 Gramm pro 100 Milliliter verbleiben.
Viele Cafés und Lebensmittelhersteller haben sich auf laktoseintolerante Kunden eingestellt und bieten milchzuckerfreie Alternativen an. Da die laktosefreie Milch durch den Aufwand für die Hersteller noch etwas kostspieliger ist als "normale" Milch, muss der Verbraucher für verträgliche Produkte meist geringfügig tiefer in die Tasche greifen. Dafür bleibt er aber beschwerdefrei, ohne auf die wertvolle Kalziumquelle - und damit auf inzwischen fast alle seine Lieblingsmilchprodukte - verzichten zu müssen.